Aus der Knollensahara in die Kaiserstadt

mit dem Akkutriebwagen unterwegs zwischen Jülich und Aachen-Nord anno 1979


In der Region Aachen gehen die Ausläufer der Nordeifel über in die Niederrheinische Tiefebene. Der Landwirt findet hier ertragreiche Böden, die sich ganz besonders auch für den Anbau von Zuckerrüben (in rheinischer Mundart „Knollen“) eignen. Nicht umsonst gab es hier eine Massierung von Zuckerfabriken, so etwa in Jülich, Ameln, Düren, Elsdorf und Euskirchen. Die weitgehend ebene Landschaft ist durch die Monokulturen der Landwirtschaft oftmals regelrecht ausgeräumt. Wer dann in der Weite der Landschaft steht und auf fotogene Züge wartet, der versteht, warum die Einheimischen diese Landschaft gelegentlich als „Knollensahara“ bezeichnen.

Als das Ende des Reisezugverkehrs auf der Strecke von Aachen-Nord nach Jülich absehbar wurde, habe ich mich am 19. Oktober 1979 aufgemacht, den Betrieb im Bild festzuhalten. Ich hatte meine Fototour am Haltepunkt Niedermerz im Jülicher Land begonnen und die Strecke rückwärts aufgerollt. Deshalb auch im Titel die verdrehte Streckenbezeichnung.

Wer von Niedermerz kommend zum Haltepunkt dieses Ortes geht, der hat so ein typisches Bild der Landschaft vor Augen. Im Hintergrund, ganz schwach zwischen dem linken Andreaskreuz und dem Wartehäuschen zu erkennen, erhebt sich kilometerweit sichtbar der Förderturm des EBV-Bergwerkes Emil Mayrisch aus der Ebene hervor.



Die Bahnstrecke Aachen-Nord – Jülich verläuft hier unmittelbar neben der ehemaligen Reichsstraße 1 von Aachen nach Königsberg. Seit Mitte der 70er Jahre die Autobahn A 44 von Aachen nach Düsseldorf fertiggestellt wurde, führt die heutige „B 1“ eher ein beschauliches Dasein. Es ist jetzt etwa 13:30 Uhr, in rund 20 Minuten soll der N 8252 eintreffen. Während der Wartezeit vertreibe ich mir die Zeit mit einem Foto dieses Auslieferungs-LKWs eines Coca-Cola-Abfüllbetriebes



Kurz vor dem Eintreffen des Zuges bringt dieser als Schulbus eingesetzte Setra-Bus einen großen Teil der Dorfjugend nach Hause.



Pünktlich um 13:49 Uhr trifft der fast lautlos heranschnurrende 515 614 als N 8252 von Jülich kommend in Niedermerz ein. Ein Fahrgast steigt ein, zwei steigen aus.








Mit meinem betagten VW-Käfer düse ich an dem betagteren Akkutriebwagen vorbei und schaffe es gerade noch, im Bahnhof „Schleiden bei Jülich“ den 515 614 als N 8252 ein zweites Mal aufzunehmen.



Auf dem weiteren Weg wird der Akkutriebwagen schneller vorankommen, deshalb warte ich den nächsten Zug hier in Schleiden ab. Zwischendurch ziehe ich mir die für den Deutschunterricht zu lesenden Texte hier auf einer gepflegten Wartebank in der Stille des Haltepunktes Schleiden ´rein. Um 15:10 Uhr kommt der 515 614 wieder vorbei, diesmal als N 8257.








Da heute ländliche Motive angesagt sind, lasse ich das Wurmrevier aus und begabe mich anschließend an das Streckenstück zwischen Mariagrube und Würselen. Mein nächster Kandidat heißt N 8462 und wird von 515 625 gefahren. Am Haltepukt Euchen, nördlich von Würselen, treffen wir aufeinander:








Der Bahnhof Würselen liegt am nördlichen Stadtrand und grenzt an ländliche Umgebung. So begebe ich mich an das Einfahrsignal aus Richtung Mariagrube und warte auf den N 8259, den wiederum 515 625 fährt.





Den Nachschuss habe ich noch einmal manipuliert, es ist zwar fotografisch nicht der Bringer, aber dieses Experiment zeigt am fernen Horizont das typische Bild der Alsdorfer Bergbaulandschaft.



Etwa ein Viertelstunde später brummt dann 215 046 als Lz von Stolberg nach Siersdorf vorbei. Da langsam das Sonnenlicht vergeht, läßt sich eine Bewegungsunschärfe nicht mehr vermeiden - ich zeige das Bild der Vollständigkeit halber trotzdem....



Anschließend geht es zum Bahnhof Würselen, einstmals der Schnittpunkt von vier eingleisigen Bahnlinien und der Anschlußbahnhof der Grube „Gouley“. Am 19. Oktober 1979 ist die ursprünglichen Größe der Anlage noch gut zu erkennen. Im Bereich des kleinen Ablaufberges und der Rangiergleise sind etwa 20 B3yg-Waggons abgestellt.





Am ehemaligen Streckengleis nach Kohlscheid ist das Ausfahrsignal schon demontiert, im Hintergrund kann man aber noch schwach das vollständige Einfahrsignal erkennen.



Die Bahnhofsausfahrt in Richtung Stolberg und Aachen-Nord wird von fünf Ausfahrsignalen gesichert.



Im Winkel zwischen diesen beiden Strecken sind die Reste des ehemaligen Bw Würselen noch gut zu erkennen.






Wie auf meinen Fotos zu erkennen, war hier das Fotolicht zu Ende.
Die Ankunft in der Kaiserstadt dokumentiere ich deshalb mit zwei Bilder vom 30. Oktober 1979, die 515 628 als N 8252 bei der Einfahrt in den Personenbahnhof .....



und am Bahnsteig des kleinen Endbahnhofes Aachen-Nord zeigen. Der Zugführer wechselt gerade die Schlussscheibe für die nächste Fahrt, während die wenigen unverdrossenen Fahrgäste in die alte Kaiserstadt Aachen streben.



Und ich kann nur sagen: „Alles aussteigen, die Fahrt endet hier!“



Roland Keller