Die am 1. Oktober 1873 von der Bergisch-Märkischen Eisenbahn eröffnete
Strecke von Düren nach Jülich hat keine markanten landschaftlichen Höhepunkte
oder betrieblichen Besonderheiten aufzuweisen. Die Zwischenstationen sind
Bahnhöfe mit bescheidenen Gleisanlagen oder einfache Haltepunkte. Größere
Kunstbauten? - außer eine Brücke über die Autobahn Köln-Aachen Fehlanzeige. Im Bahnbetrieb der 80er Jahren
beherrschten Akkutriebwagen der BR 515 den Personenverkehr. Daneben kamen Loks
der BR 211 und 212 im Güterzugverkehr und mit einzelnen Reisezügen zum Einsatz.
- Alles keine Gründe, gerade dieser Strecke einen Besuch abzustatten. Und wen
es als Eisenbahnfreund in diese Region verschlagen hatte, der war eher geneigt,
die wesentlich attraktivere Strecke Düren - Heimbach aufzusuchen........
Am 7. April 1987 schnurrt ein dreiteiliger Zug aus 515+815+515 von Jülich
nach Düren durch die Felder bei Niederzier-Krauthausen
Diese Strecke, die viele Eisenbahnfreunde wahrscheinlich nicht weiter
beachtet haben, soll der folgende Beitrag ein wenig beleuchten.
Schauen wir einmal in die 80er Jahre zurück, dann ist Jülich - mit Blick auf
die Eisenbahn - eine arg gebeutelte Stadt. Die Bahnstrecke von Jülich nach Baal
ist im Reisezugverkehr bereits seit dem 29. September 1968 eingestellt,
Güterverkehr wird dort noch bis Linnich betrieben, die Reststrecke ist seit
1974 abgebaut. Das Ausbesserungswerk Jülich hat schon in den 60er Jahren die
Reparatur von Schienenfahrzeugen aufgegeben und dient jetzt als Instandsetzungswerk
der Bundeswehr. Am 30. Mai 1980, zum Ende des Winterfahrplans 1979/80, hat die
Bundesbahn den Reisezugverkehr auf zwei weiteren von Jülich abgehenden Strecken
(nach Hochneukirch/Mönchengladbach und Aachen-Nord) eingestellt. Ende Mai 1983
stirbt auch der Reisezugverkehr nach Stolberg (- und Aachen).
Zwischen 1980 und 1983 konnte man von Jülich aus noch nach Düren und
umsteigefrei auf kurzem Wege über Eschweiler Tal und Stolberg nach Aachen
fahren. Am 16. Februar 1982 steht links 515 562 nach Stolberg und rechts ein
Verband aus 515 544, 815 781, 515 601 sowie 815 757 nach Düren.
Eine ähnliche Abwärts-Entwicklung nimmt der Güterverkehr, zumal auch die
Zuckerfabrik Jülich den Rübentransport auf der Schiene aufgegeben hat. Von den
einstmals stattlichen Bahnanlagen in Jülich werden am Ende des Jahrzehnts
gerade drei Gleise vor dem Jülicher Bahnhofsgebäude übrig bleiben. Es gibt nur
wenige Orte im Rheinland, an denen der Niedergang der Eisenbahn in den 80er
Jahren so drastisch sichtbar geworden ist.
Ein Sonderzug anlässlich der Dürener Annakirmes am 4. August 1985 im Bf.
Jülich. So präsentierte sich die staatliche deutsche Eisenbahn ihren Fahrgästen
in Jülich schon Mitte 1985.
Ende der 80er Jahre hatte sich die Deutsche Bundesbahn schon mit dem
Gedanken getragen, die Strecke wegen mangelnder Rentabilität stillzulegen.
Glücklicherweise hatte sich der Kreis Düren dann jedoch entschlossen, diese
Strecke zusammen mit der Strecke Düren - Heimbach zu übernehmen und den
Zugbetrieb mit Hilfe der Dürener Kreisbahn weiter zu betreiben. Was 1992 als
spektakuläres Vorhaben - eine der ersten Bahnprivatisierungen - begann, hat sich mittlerweile zu einer
Erfolgsgeschichte entwickelte, deren Aufwärtsentwicklung anhält. Die Strecke
Düren - Jülich ist die einzige Bahnverbindung nach Jülich, die überdauert hat.
Wer die Strecke heutzutage befährt, der findet eine modernisierte Regionalbahn
vor - das Nebenbahnflair der Deutschen Bundesbahn ist vergangen.
Beginnen wir unsere Reise in die Vergangenheit am Nullpunkt im Bf. Jülich.
Wie dieser Kilometerstein bei näherer Betrachtung offenbart, müsste die Strecke
richtigerweise Jülich - Düren (JD) heißen. Im Sprachgebrauch hat sich
allerdings Düren - Jülich eingebürgert.
Foto vom 29. Juli 1984
Scheinbar heile Jülicher Bahnwelt mit Gepäck- und Expressgutverladung am
roten Akkutriebwagen. Fotografiert am 15. April 1982 mit 815 761 und 515 601.
1984 sieht der Jülicher Bahnhof zwar schon gerupfter aus. Dennoch ist der
Güterverkehr lebhaft - und selbst rote 211er sind anzutreffen - hier
beispielsweise 211 084 am 6. September 1984.
Erster Haltepunkt auf dem Weg nach Düren ist nach etwa 3 km der am
ehemaligen Ausbesserungswerk gelegene Haltepunkt Jülich-Süd (heute:
Jülich-Forschungszentrum). Als ich am 30. April 1984 dort fotografierte, fuhr
der (unbekannt gebliebene) Akkutriebwagen allerdings schon durch, weil die DB
diesen Haltepunkt seit dem 22. Mai 1982 aufgegeben hatte.
Das Heeresinstandsetzungswerk ist ein tapferer Bahnkunde mit eigenem Gleisanschluss. Am frühen Morgen des 19. Mai 1989 habe ich die dortige Werklok (Deutz 56895/1958) beim Wagenaustausch fotografiert. Wie es sich für eine Bundeswehrlok gehört, ist sie natürlich oliv gefärbt.
Den zweiten Halt in Richtung Düren legten die Züge rd. 1,5 km weiter am 1956
eröffneten Haltepunkt Selgersdorf ein. Am 7. Mai 1986 habe ich die dreiteilige
Kombination aus 515 525, 815 778 und 515 634 einen Augenblick nach der Abfahrt
nahe des Haltepunktes erwischt. Beim Nachschuss zeigt sich, wie nahe die Bahn
hier beim Kunden war.
Krauthausen besaß Anfang der 80er Jahre einen Bahnhof mit Ladegleis. Bis
Ende Mai 1982 lautete der Bahnhofsname noch "Jülich-Krauthausen", ab
dann der kommunalen Neugliederung folgend "Niederzier-Krauthausen".
1982 verschwand zuerst das marode Empfangsgebäude, dessen Fassaden bis zuletzt
vom heftigem Beschuss im Winter 1944 gezeichnet war. Ende der 80er Jahre war
auch das Ladegleis ausgebaut. In der Zeit dazwischen habe ich am 15. April 1982
die nach Jülich fahrenden roten 815 761 und 515 601 am Ladegleis aufgenommen.
Wegen eines Bahnübergangs mit Blinklichtanlage hatte der Hp. Krauthausen
zwei Richtungsbahnsteige. Züge nach Jülich hielten, wie hier am 7. Mai 1986 ein
dreiteiliger Verband aus 515 634, 815 778 und 515525, am nördlichen Bahnsteig.
Einen Tag später, am 8. Mai 1986, passierten 795 627 und 795 445 des
Eisenbahnamateurklubs Jülich (EAKJ) als Sonderfahrt den südlichen Bahnsteig für
Züge in Richtung Düren.
(Heute gibt es rd. 300m weiter nordwestlich einen neuen, ortsnäheren Kreuzungsbahnhof.)
Der knatternde VT 95 war für mich eine gern gesehene Abwechslung zum
schnurrenden Akkutriebwagenbetrieb. Wesentlich authentischer war der
Schienenbus jedoch in den ersten Einsatzjahren beim EAKJ, als er noch den
originalen DB-Lack trug. Als ich 795 627 und 995 497 des EAKJ am 20. Mai 1982
bei Krauthausen fotografierte, vermittelte er stilecht das Bild des
Planbetriebs der 70er Jahre.
Zwischen Krauthausen und Huchem-Stammeln liegt die kleine Ortschaft Selhausen, die bei der Deutschen Bundesbahn keinen eigenen Haltepunkt hat. Hier kreuzt die Trasse einer Hochspannungsleitung die Bahnstrecke Düren - Jülich und ermöglicht skurrile Aufnahmen mit "verstromter Landschaft". Während die Szenerie im Sommer harmlos und freundlich aussehen kann (hier am 28. April 1986 mit 515 520 und 515 634 sowie einem unbekannten 815)....
... erscheint sie an Wintertagen
bisweilen unwirtlich und abweisend. So wie hier am 14. Februar 1986, als ich
bei klirrender Kälte dort einen bunten
Akkutriebwagenzug aufnahm.
Die einzige Kreuzungsmöglichkeit auf der rd. 15 km langen Strecke bestand in
den 80er Jahren im Bahnhof Huchem-Stammeln, der mit einem Fahrdienstleiter
besetzt war und über Ein- und Ausfahrsignale verfügte. Auf diesem Bild vom 7.
Mai 1986 haben 515 525, 815 778 und 515 634 gerade den Bahnhof verlassen und
passieren auf ihrem Weg nach Jülich das Einfahrsignal.
Die Gleisanlagen im Bf. "HuSta" waren - wie auf diesem Foto vom 4.
August 1985 zu erkennen - sehr übersichtlich. Sie bestanden aus einem
Kreuzungsgleis und einem Ladegleis. Die abgebildete 212 101 pendelte an diesem
Sonntag anlässlich der Dürener Annakirmes mit einem aus vier Silberlingen
gebildeten Wendezug zwischen Düren und Jülich. Zu dieser Zeit stellte solch ein
Zug eine willkommene Abwechslung zum alltäglichen Akkutriebwagenverkehr dar.
Die restlichen 5 bis 6 Kilometer zwischen Huchem-Stammeln und Düren wurden
in den 80er Jahren ohne Halt durchfahren. Südlich der Autobahn Köln - Aachen
kreuzt die Landstraße von Düren-Birkesdorf nach Arnoldsweiler die Strecke. Am
dortigen Bahnübergang habe ich am 1. April 1987 einen dreiteiligen
Akkutriebwagenzug aufgenommen. Heute befindet sich bei dieser Stelle der von
der Dürener Kreisbahn angelegte Haltepunkt für das Gewerbegebiet "Im großen
Tal".
Im Dürener Hauptbahnhof endeten die Züge aus Jülich auf den Gleisen an der
nördlichen, der Bergisch-Märkischen Seite. So wie auf diesem Foto aus den
ersten Märztagen des Jahres 1986 mit 515 520 und einem unbekannt gebliebenen
815 beenden heutzutage auch die Duewag-Regio-Sprinter der Rurtalbahn ihre
Pendelfahrten zwischen Jülich und Düren.
Zum Ende der 80er Jahre hat sich mit dem vermehrten Einsatz von BR 212-bespannten Wendezügen nicht nur der Bahnbetrieb gewandelt. Auch die ebene Landschaft östlich der Strecke änderte sich: beim Aufschluss des bis zu 500 m tiefen Braunkohlentagebaus "Hambach" wurde die "Sophienhöhe" aufgeschüttet, eine künstliche Halde mit den Dimensionen eines natürlichen Berges. Während der Landwirt hier am 31. August 1987 zwischen Krauthausen und Selhausen friedlich seine Feldarbeit verrichtet und die 212 074 brav ihre Leistungen fährt, vernichten wenige Kilometer weiter östlich riesige Braunkohlenbagger jeden Tag und Stück für Stück die in Jahrhunderten gewachsene Kulturlandschaft, um die rheinischen Braunkohlekraftwerke mit Energie zu versorgen.
Ein Stromabnehmer ist allerdings weggefallen: der Akkutriebwagen. So wie auf
meinem Schlussbild vom 19. Juni 1986 mit v.l.n.r. 515 655, 815 700 und 515 562
wird ihn mancher Jülicher vielleicht noch in angenehmer Erinnerung behalten
haben.
Roland Keller