Aachen West ist als einziges
Bahnbetriebswerk im Raum noch zum Teil erhalten, aber auch schon
lange still gelegt. Entstanden sind die Anlagen vor beinahe 100 Jahren, als mit
dem Abbruch der Bahnanlagen Templerbend und dem Neubau des Bahnhofes Aachen West
auch ein Bahnbetriebswerk im Süsterfeld gebaut wurde, welches 1910 eingeweiht
werden konnte.
Vorgänger des Bw Aachen West war eine Betriebswerkstätte, die durch die Bergisch-Märkische- Eisenbahn um 1875 an der Welkenraether Straße/Weststraße angelegt wurde. Dort existierte u.a. ein 10-ständiger Ringlokschuppen. Nach Fertigstellung des Westbahnhofes und der Betriebswerkstätte Aachen West wurden die Anlagen an der Weststraße aufgegeben.
Die baulichen Anlagen des Bahnbetriebswerkes Aachen West
Bedingt durch die Grenzanlage und Torfunktion Aachens für den Verkehr zwischen Deutschland und den westlichen Nachbarstaaten war einer der modernsten und großzügigsten Güterbahnhöfe der Preußischen Staatsbahn um die Jahrhundertwende in Aachen entstanden.
Zum neuen Bahnbetriebswerk im Süsterfeld gehörte ein 16 ständiger Ringlokschuppen mit Drehscheibe, sowie eine zweigleisige Halle für Reparaturarbeiten, daneben Werkstätten und ein Verwaltungsgebäude. Der abgebildete Plan gibt eine Übersicht über die Anlage des Bahnbetriebswerkes.
Quelle: © Sammlung Klaus Schaffert
Neben den bereits erwähnten Gebäuden war ursprünglich
in Aachen West auch ein Wasserturm vorhanden, über den mir leider keine
weiteren Angaben vorliegen.
Das älteste mir vorliegende Bild aus dem
Bw Aachen West wurde mir durch Harald Steinmann zur Verfügung gestellt und
stammt aus den 60er Jahren. Soweit das Auge reicht, nur Dampfloks.
Foto: © Harald Steinmann
Um die Lokomotiven zu bekohlen, wurde
in Aachen West eine Bekohlungsanlage errichtet, die eine "rheinische Besonderheit"
darstellt. Es wurde eine Bühne errichtet, von der mit Hunten die Kohle in die Lokomotiven
gekippt werden konnte. Auf diese Bühne
führte ein eigenes Gleis, um mit Güterwagen neue Kohle für das Kohlenlager anzufahren.
Lediglich in Aachen-West und in Köln-Nippes sowie in Rheydt sind diese Bühnen heute noch so
zum Teil erhalten,
dass man sich durchaus ein Bild davon machen kann, wie hier früher die Dampflokomotiven
bekohlt wurden.
So sah es in den 60er Jahren aus, als Harald Steinmann die Kohlenstürzbühne fotografierte. Es zeigt die Bekohlungsanlage in der ursprünglichen Form. Sehr gut kann man die einzelnen Kohlenhunte erkennen, mit denen die Kohle in die Tender der Lokomotiven gekippt wurde. Erst später wurde auch in Aachen West ein Wiegebunker errichtet, der auf dem darauf folgenden Bild von Nico Spilt zu sehen ist.
Foto: © Harald Steinmann
Foto: © Nico Spilt
Weitgehend erhalten blieb das Bahnbetriebswerk West, das in den 1950er Jahren eine neue Wagenhalle, sowie Vorsteher- und Wirtschaftsgebäude erhielt.
Mit dem Ende der Dampflokzeit wurden sehr schnell die Lokbehandlungsanlagen abgebaut. Lediglich der Wasserkran, der recht deutlich auf dem Foto von Nico Spilt zu sehen ist, blieb noch, man muss schon sagen merkwürdigerweise, recht lange stehen. Auch die Kohlensturzbühne ist als solche heute noch zu erkennen. Nicht nur die Behandlungsanlagen für die Dampflokomotiven, auch der Lokschuppen blieb von Veränderungen nicht ausgenommen. 1988 wurde bei einem starken Sturm Lokschuppen so schwer beschädigt, dass er bis auf sechs Stände abgerissen werden musste.
Foto: © Ulrich Budde
50 788 steht vor dem noch heute vorhanden Lokschuppenteil, an dessen linker Seite sich die Werkstatt und die zweigleisige Wartungshalle anschließen. Diese Gebäude wurden unter Denkmalschutz gestellt. Der Schornstein ist ebenfalls nicht mehr vorhanden.
So sah es schließlich 1989 in Aachen West aus. Diesellokomotiven der Baureihe 215 und 290 prägten das Bild des Bahnbetriebswerkes.
Das Bw 1989
mit dem nur noch sechsständigen Lokschuppen
Foto: © Guido Rademacher
Da sich aber, trotz Denkmalschutz, niemand um das Gelände kümmert, verfällt die Anlage mehr und mehr. Das ist um so mehr schade, da Aachen West das einzige wenigstens in Teilen noch erhaltene Bahnbetriebswerk im gesamten Aachener Raum ist.
Einsatz der Lokomotiven beim Bw Aachen West
Da Aachen West in erster Linie ein
Güterbahnhof ist, waren im Bahnbetriebswerk vornehmlich Güterzuglokomotiven
und Lokomotiven für den Rangierbetrieb beheimatet.
Zum 31.10.1925 waren es die preußischen Lokomotiven, die hier dominierten.
53 |
003, 004, 009, 7034, 7610 |
55 |
174, 302, 303, 304, 345, 530, 531, 556, 563, 564, 632, 634, 718, 719, 1127, 3884, 4914, 4917, 5080, 5081, 5082, 5083, 5084, 5085, 5277, 5507, 5508, 5509, 5510 |
57 |
2262, 3491, 3492, 3493, 3494, 3495, 3496, 3497, 3498, 3499, 3500, 3501, 3502, 3503 |
58 |
1102, 1103, 1253, 1861, 2013, 2018, 2019 |
89 |
7246, 7326 |
90 |
042, 048, 074, 093, 101, 117 |
91 |
808 |
94 |
356, 392, 393, 394, 398, 898 |
Erstmals im November 1940 wurden mit der fabrikneuen Anlieferung der 50 907, 50 908, 50 909 und 50 910 Einheitslokomotiven der Deutschen Reichsbahn hier heimisch. Im Februar 1941 folgten dann noch 50 791, 50 792 und 50 795 und im März 1941 die 50 796.
Während des 2. Weltkrieges wurde aus mir nicht bekannten Gründen für kurze Zeit eine Schnellzuglokomotive, 03 1057, vom Bw Aachen Hbf zum Bw Aachen West umbeheimatet. Diese Lok war hier vom 12.04.1944 bis zum 15.05.1944 beheimatet und wurde dann an das Bw Posen abgegeben.
Eine erste Beheimatungsübersicht für die Zeit nach dem 2. Weltkrieg liegt mir für das Jahr 1950 vor, als nachfolgende Lokomotiven in Aachen West beheimatet waren. Die hier aufgelisteten Baureihen 52 und 91 schieden jedoch schon sehr bald aus dem Dienst aus.
50 |
001, 209, 216, 441, 618, 818, 1039, 1146, 1247, 1300, 1326, 1360, 1546, 1808, 1960, 2331, 2368, 2520, 2607, 2704, 2861, 2880, 3143 |
52 |
1536, 3129, 6911 (z), 7245 (z), 7654 (z) |
55 |
2552, 2560, 2834, 2903, 3159, 3187, 3256, 3406, 3463, 4116, 4223, 5006, 5103, 5414 (w) |
91 |
1510 |
94 |
504, 699 |
Zum Stichtag 31.12.1958 waren wieder die Lokomotiven der Baureihe 50 (15 Loks) und der Baureihe 55 (13 Loks) zahlenmäßig am stärksten vertreten. Darüber hinaus war noch eine z-gestellte Lok der Baureihe 93 (93 903) und eine Lok der Baureihe 94 ( 94 1614) hier beheimatet.
Mit der Aufgabe des Bw Aachen Hbf kamen am
02.06.1963 noch einmal Personenzuglokomotiven zum Bw Aachen West. Die verbliebenen Lokomotiven der Baureihe 38 (pr. P8)
wurden noch für kurze Zeit von hier aus für Sonderdienste eingesetzt. Es waren dies die
38 2092, 2636, 2721, 3067, 3149, 3381, 3389, 3540, 3598, 3656 und 3970
Eine Lokomotive der Baureihe 38, die ich besonders erwähnen möchte ist die 38 2383. Sie kam am
26.04.67 vom Bw Düren und wurde hier bis zum 04.04.68 eingesetzt. Nach ihrem
Einsatz im Bw Aachen West wurde die Lok zum Bw Gremberg umbeheimatet. Diese Lokomotive blieb der Nachwelt erhalten und kann heute im Deutschen
Dampflokomotiv Museum in Neuenmarkt-Wirsberg besichtigt werden.
Prägend für das Bild des Bw Aachen West waren jedoch neben den Lokomotiven der
Baureihe 50 weiterhin die Lokomotiven aus der preußischen Länderbahnzeit, so wie
die Baureihe 55...
55 2756 am 09.04.1968
Foto: © Ulrich Budde
... die bis 1970 hier eingesetzt wurden. Und auch die Baureihe 93 gehörte zum Alltag im Aachener Raum. 93 985 wurde, als die Aufnahme am 09.04.1968 entstand, gerade erst vor 9 Tagen z-gestellt
Foto: © Ulrich Budde
Da es nach der Aufgabe des Bw Aachen Hbf keine Bekohlungsmöglichkeiten mehr im Bereich des Aachener Hbf gab, liefen auch Fremdlokomotiven das Bw an, die ihre Vorräte ergänzen mussten. So zeigt das folgende Foto eine Mönchengladbacher 03er im Bw.
Foto: © Helmut Wülfing
Mit der Einführung des neuen Nummernschemas bei der Deutschen Bundesbahn im Jahr 1968 waren in Aachen West nur noch Lokomotiven der Baureihen 050-053 und 055 beheimatet.
1970 verließ die letzte Lok Baureihe 055 das Bahnbetriebswerk. Nur ein Jahr später wurde die Dampflokunterhaltung in Aachen West aufgegeben und die letzten Lokomotiven der Baureihe 050-053 verließen das Bw.
Dennoch ist die Geschichte des Bw Aachen West nicht mit der Aufgabe der Dampflokunterhaltung beendet. Fortan wurden wurden im Güterzugverkehr Lokomotiven der Baureihe 215 und im Rangierbetrieb Lokomotiven der Baureihe 260/261 und 290 des Bw Düren eingesetzt. Auch Kleinlokomotiven der Baureihen 323/324 und 332/333 waren immer wieder im Bw anzutreffen.
Offiziell aufgelöst wurde das Bw Aachen West
ebenso wie das Bw Stolberg am 28.02.78. Einen Tag später entstand das neue Bw Aachen, dem Stolberg mit
angegliedert wurde. Aachen West wurde zur Einsatzstelle. (Est)
Mit der Auflösung des Bw Düren 1983 wurde auch dieses Bw
zusätzlich
zur Außenstelle des Bw Aachen eingruppiert.
Mit der Stilllegung der Grube Emil-Mayrisch in Siersdorf und der Kokerei Anna in Alsdorf
im Jahr 1992 entfiel der Güterverkehr auf der Strecke Herzogenrath - Alsdorf -
Siersdorf. Die bis
dahin benötigten Lokomotiven der Baureihe 215 wurden größtenteils arbeitslos.
Der Güterverkehr ging immer mehr zurück. Die Containerverladung in Aachen-West
wurde eingestellt, Rangierleistungen nach Montzen und nach Stolberg abgegeben. Im Zuge
dieser Entwicklung wurden auch die verbliebenen Anlagen des Bw Aachen-West entbehrlich.
Zum 31.12.1995 wurde die Güterwagenausbesserung in Aachen West und die
Einsatzstelle geschlossen.
Mit dem Abzug der Mitarbeiter
verfielen die Anlagen zusehend. Das Gelände wurde zum Ziel von Graffiti-Sprayern,
von Vandalen und Brandstiftern. So musste die Feuerwehr in den kommenden Jahren
leider mehrfach ins Süsterfeld ausrücken.
Foto: © Guido Rademacher
Zum vorerst letzen Mal besuchte ich Aachen West am 15.03.2011. Die oben
abgebildete Aufnahme entstand an diesem Tag.
2012 begann der Abriss. Zunächst wurden im April die Gleise entfernt. Im Juni
wurden die ehemalige Lokleitung, die Sozialbaracke und die Wagenhalle
eingeebnet.
Was aus den übrigen Gebäuden, dem Lokschuppen und der Drehscheibe wird, ist mir
derzeit vollkommen unklar. Die Schäden an diesen verbliebenen Gebäuden sind aus
meiner laienhaften Sicht gewaltig. Bahnbetrieb wird es hier definitiv keinen
mehr geben. Schade!
Quellen:
150 Jahre Eisenbahn im
Rheinland, Lutz-Henning Meyer, J.P. Bachem Verlag Köln
Eisenbahnen rund um Aachen, , Hans Schweers Henning Wall, Schweers+Wall Verlag
Die Baureihe 50, Band 1, Jürgen U. Ebel/Hansjürgen Wenzel, EK-Verlag
Die Baureihe 50, Band 2, Jürgen U. Ebel/Hansjürgen Wenzel, EK-Verlag
Statistische Daten Deutscher Bahnen von Rolf Wisotzky
© Guido Rademacher, 2013