Einleitung

Am 1. April 1850 übernahm die Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn mit Sitz in Aachen die Ruhrort-Crefeld-Kreis Gladbacher Eisenbahngesellschaft, gegründet 1844 und die Aachen-Neuß-Düsseldorfer Eisenbahngesellschaft, gegründet 1846. Unter ihrer Regie konnte am 12.November 1852 die Strecke Rheydt – Herzogenrath und am 17. Januar 1853 die Strecke Herzogenrath – Aachen dem Betrieb übergeben werden.
Bis 1854 wurde die Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn alleinige Betreiberin der Strecke und blieb es bis zum 31. Dezember 1865. Ab dem 1. Januar 1866 übernahm die mehrheitlich im Besitz des preußischen Staats befindliche Bergisch-Märkische Eisenbahn-Gesellschaft (BME) alle Strecken der Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn-Gesellschaft. Letztere wurde mit der Übernahme durch die BME aufgelöst. [1]

Die Lokstation Herzogenrath

Bereits zur Zeit der Aachen-Düsseldorf-Ruhrorter Eisenbahn entstand in Herzogenrath eine Lokstation mit einem einständigen Lokomotivschuppen, der auf dem nachstehenden aus dem Jahr 1866 datierenden Plan zu sehen ist. Im "Jahresbericht über die Verwaltung der Bergisch Märkischen Eisenbahn für das Geschäftsjahr 1866" findet sich folgender Passus:
"Der Lokomotiv-Schuppen erhielt einen provisorischen Anbau, die Wasserstation wurde erweitert und ein neuer Brunnen ausgeführt, sowie eine Dampfmaschine zum Wasserpumpen aufgestellt. Ein alter früher der Zeche Furth gehöriger Kohlenschuppen wird zum Lokomotiv-Schuppen umgebaut."  1866 war eine "besondere" Rangierlokomotive in Herzogenrath stationiert [1]

 

Der abgebildete Plan verdeutlicht die Lage der alten Lokstation und zeigt den Schuppen der Grube Furth, der zum neuen Lokomotivschuppen umgebaut wurde.

Im Jahresbericht der BME für das Jahr 1869 findet sich ein weiterer Abschnitt zum Umbau der Lokstation:

"Der von der Vereinigungs-Gesellschaft erworbene Kohlenschuppen wurde in einen Lokomotivschuppen umgebaut; derselbe kann 4 Maschinen aufnehmen und hat einen Raum für die Schlosserei, für das Magazin und zum Aufenthalt für das Personal, sowie eine Dienstwohnung" [2]

1871 wurde der alte Lokschuppen samt Wasserstation abgebrochen. [3] Für die kommenden 10 Jahre finden sich in den Berichten keine weitere Angaben zum Aus- oder Umbau der Anlagen.

Zum 28.März 1882 wurde die Verstaatlichung der Bergisch-Märkischen Eisenbahn per Gesetz verkündet, die Betriebsführung war bereits am . 1. Januar 1882 an die „Königlich Preußische Staatseisenbahnen“ (K.P.St.E.), "Königliche Eisenbahndirection zu Elberfeld" übergegangen.
Es folgten in den kommenden Jahren weitere Umstrukturierungsmaßnahmen der preußischen Eisenbahnverwaltung, an deren Ende das Bw Herzogenrath der Königlichen Eisenbahndirection Köln (KED Cöln) zugeordnet wurde.

1896 stellte sich die Situation im Bahnhof Herzogenrath bereits völlig anders dar. Die Gleisanlagen waren bereits deutlich erweitert worden. Gut zu erkennen ist die neue Betriebswerkstätte mit ihrem 2-ständigen Lokschuppen und davor liegender 16m-Drehscheibe. Ebenfalls zu dieser Zeit dürfte der Wasserturm erbaut worden sein.

Der folgende Plan und die Ausschnittsvergrößerung verdeutlichen den Wandel.

 

 

 

 

Die folgende Postkarte zeigt die Betriebswerkstätte Herzogenrath mit seinem Lokschuppen, der Drehscheibe und dem mächtigen Wasserturm. Am Einschnitt in der Böschung kann man die Drehscheibe erkennen.

 

 

Aus dem Jahr 1910 stammt das folgende Foto, welches mir das Stadtarchiv Herzogenrath zur Verfügung gestellt hat. Es zeigt den Bahnhof  und im Hintergrund sind der Lokschuppen und der Wasserturm gut erkennbar.

 

 

Die gleiche Situation, aber von der anderen Seite aus aufgenommen, zeigt das Stationsgebäude. Der Rand der Drehscheibengrube ist deutlich zu erkennen. Eine Zuordnung ist anhand des Gleisplanes eindeutig möglich.

 

 

Am 1. April 1920 wird die Königlich Preußische Eisenbahnverwaltung (KPEV) in die Deutsche Reichsbahn (DR) überführt. Die Betriebswerkstätte Herzogenrath wurde in "Bahnbetriebswerk Herzogenrath" umbenannt. Das Güteraufkommen stieg weiter und der Bahnhof Herzogenrath wurde in Richtung Westen erneut erweitert. Mit dem wachsenden Güterverkehr stieg auch der Bedarf an Lokomotiven. Die alte Betriebswerkstätte war für diese Aufgaben zu klein geworden. Bereits 1920 entstand der Entwurf für einen neuen Lokschuppen.

 

 

 

Das Bahnbetriebswerk wurde verlegt, dieses Mal westlich des Güterbahnhofes. Auf dem Plan vom 27.03.1940 kann man die damalige Erweiterung des Bahnhofes und die Neuanlage des Bahnbetriebswerkes sehr gut nachvollziehen.

 

 

Auf dem folgenden Bild sind die Veränderungen im Bereich der ehemaligen Betriebswerkstätte zu sehen.
Die Drehscheibe, deren ursprüngliche Lage in der vorhandenen Rundung in der Böschung zu erkennen ist, wurde entfernt. Im Bereich des Lokschuppens ist ein Beamtenwohnheim entstanden. Der Wasserturm ist nach wie vor vorhanden, in unmittelbarer Nähe entstand eine Schlosserei.

 

 

Die folgende Vergrößerung zeigt den Bereich des neuen Bahnbetriebswerkes mit 4-ständigen Lokschuppen und davor liegender 20m-Drehscheibe.

 

 

Lokomotivbeheimatungen:

Dieses Kapitel gestaltet sich besonders schwer, denn es liegen mir keine gesicherten Stationierungslisten für das Bw Herzogenrath vor.
Daher sind sämtliche Angaben sicherlich unter gewissen Vorbehalten zu sehen und in mancher Sicht auch diskussionswürdig.
Es wird aber ein Eindruck vermittelt, welche Lokomotivbaureihen in Herzogenrath stationiert waren .

Beginnen möchte ich mit einem Auszug aus einer von Ulrich Walluhn veröffentlichten Umzeichnungsliste. Danach waren am 31.10.1925 die nachstehend aufgeführten Lokomotiven in Herzogenrath beheimatet:

55    702,712, 720, 1109, 1152, 1373, 5504
57    2356, 2357
74    574, 727
91    1271
94    271, 272

 

Mit 86 074 wurde dem Bw Herzogenrath im November 1932 erstmals eine fabrikneue Einheitslok der Baureihe 86 zugewiesen. Im gleichen Monat folgte die Lieferung der 86 075. [6]

Aus einer aus Mai 1938 stammenden Liste können folgende Lokomotiven dem Bw Herzogenrath zugeordnet werden: [6]

55    4915
57    1486, 2357
74    590, 669, 830
86    075

Kriegswirren

Einige Baureihen waren nur für kurze Zeit  in den Wirren des 2. Weltkrieges in Herzogenrath beheimat. Hierzu zählt die Baureihe 93, die Mitte 1941 mit zwei Maschinen (93 431 und 93 436) in Herzogenrath vorhanden war. Bereits am 30.04.1944 kann keine Lok dieser Baureihe beim Bw Herzogenrath mehr nachgewiesen werden [5]
Im Krieg teilte man dem Bw Herzogenrath erstmals Lokomotiven der Baureihe 94.5 (pr. T16.1) zu, die nur für kurze Zeit in Herzogenrath beimatet ware. Auf einer Auflistung aus dem Januar des Jahres 1948 findet sich keine Lokomotive dieser Baureihe mehr im Bestand des Bw Herzogenrath [4]
Mit dem Herannahen der alliierten Front im September 1944 mussten der Bahnhof Herzogenrath in der Nacht vom 13. auf den 14.September nach Geilenkirchen zurückgezogen werden. Am 14. September wurde Herzogenrath durch ein besonderes Kommando noch einmal angefahren. Es wurden 5 Sonderzüge mit Wagen aller Art, 3 Lokzüge und 28 beladene Viehwaggons mitgenommen. Auf der Rückfahrt nach Geilenkirchen wurden noch vorhandene Personenwagen mitgenommen, die mit Flüchtlingen aus Herzogenrath und Palenberg vollbesetzt waren. Auch am 15. September wurden noch einmal Flüchtlingssonderzüge aus Herzogenrath abgefahren. Insgesamt wurden an diesem Tag über 4000 Personen aus Herzogenrath evakuiert. Anschließend wurde in der Nacht vom 15. auf den 16. September mit der Evakuierung der verbliebenden Güter und Wagen in Kohlscheid, Herzogenrath und Palenberg  begonnen. Letztmalig wurde Herzogenrath und Kohlscheid am 17. September angefahren, um die letzten verbliebenen Personen zu evakuieren. Daran anschließend war die Strecke Aachen Hbf bis Geilenkirchen restlos geräumt. [7]

 

Umwandlung des Bw Herzogenrath in einen Lokbahnhof

Im Januar (die Monatsangabe ist sehr fraglich!) 1948 sollen folgende Lokomotiven in Herzogenrath beheimatet gewesen sein: [6]

56 2062, 2307, 2373, 2398
57 2150, 2185
74 856
86 291, 292, 315, 499, 400, 502, 515, 538, 539, 541

Im Februar 1949 erhielt das Bw Herzogenrath mit der Kö 4677 eine Kleinlokomotive zugewiesen. Die Lok stammte vom Bw Darmstadt und erreichte Herzogenrath über ein Ausbesserungswerk. Bereits 4 Monate später, am 13.06.1949 wurde die Lok zum Bw Krefeld umbeheimat.
Eine weitere Kö, die Kö 4686 kam am 27.05.1949 zum Bw Herzogenrath. [6]

Die noch junge Bundesbahn bemühte sich den Betrieb zu rationalisieren und Einsparungen vorzunehmen. Darunter zählte auch die Maßnahme, kleinere Bahnbetriebswerke in Lokbahnhöfe umzuwandeln und einem benachbarten größeren Bw anzugliedern. Im November 1949 wurde daher vorgeschlagen, das Bw Herzogenrath als Lokbahnhof dem Bw Aachen West zuzuordnen. 

 

 

 

 

Im Mai  1950 näherte sich das Ende des Bw Herzogenrath deutlich. Die verbliebenen 86er wurden zum Bw Düren umbeheimatet.

86    502     =>   01.05.1950    an Bw Düren
86    538     =>   05.05.1950    an Bw Düren
86    539    =>    05.05.1950    an Bw Düren

Der 30.06.1950 war der letzte Tag des selbständigen Bw Herzogenrath. Folgende Lokomotiven waren dem Bw zugeordnet:

55    3406, 3463, 4579, 4647, 5103
74    735, 856
Kö   4686

Die verbliebenen Lokomotiven wurden zum 30.06.1950 an das

Bw Aachen West (55 3406, 3463, 4579, 5103 und 74 735)
Bw Bonn (55 4074)
Bw Düren (Kö 4686) sowie
Bw Stolberg ( 74 856) abgegeben.

Buchmäßig verblieben nur noch z-gestellte Lokomotiven in Herzogenrath bis zur entgültigen Ausmusterung im Bestand, wie

55 3203    ausgemustert am 13.12.1951 und
56 2307    ausgemustert am 14.11.1951

[6]

Am 18. Mai 1952 wurde der Lokbahnhof Herzogenrath endgültig geschlossen.

Auf einer Flurkarte von 1963 sind erneut deutliche Veränderungen zu sehen. Die beiden Gleise am ehemaligen Kohlebansen waren noch vorhanden. Die Drehscheibe wurde beseitigt und es führten nur noch zwei Gleise in den Lokschuppen. Auch die Gleise unterhalb des ehemaligen Bw wurden stark zurück gebaut.

 

 

53 Jahre später, am 30.10.2005 war der Lokschuppen des Bw Herzogenrath noch vorhanden. Er lag nun auf dem Gelände der Firma St. Gobain (ehemals Vegla) und diente als Produktionshalle. Doch zwischenzeitlich musste auch dieses Relikt aus der Zeit der Eisenbahn einem neueren Gebäude weichen.

 

 

Auch der ehemalige Kohlebansen war noch vorhanden und wurde als Lager für Glasabfälle genutzt.

 

 

Der Lokbahnhof Heinsberg

Am 01.06.1890 wird durch die Preußische Staatseisenbahn die Strecke Lindern – Heinsberg eröffnet. Am Endbahnhof in Heinsberg wurde ein Lokbahnhof errichtet, der betrieblich der Betriebswerkstätte Herzogenrath zugeordnet wurde.

1914  gab es Bestrebungen, die Strecke nach Sittard [NL] zu verlängern. Die folgenden Pläne sind aus diesem Jahr.
Sie zeigen den Lokbahnhof mit einem 1-ständigen Lokschuppen und einem Wasserturm.

Die Planungen sahen einen neuen erweiterten Bahnhof in Heinsberg vor. Auf dem Plan ist ein 2-ständiger Lokschuppen im angedachten neuen erweiterten Bahnhof zu  sehen.

Doch es kam anders.
Die Verlängerung der Strecke nach Sittard wurde nicht verwirklich. Heinsberg blieb Endbahnhof. Doch es gab Änderungen im Bereich des Lokbahnhofes.
Der Lokschuppen wurde erweitert. Dankenswerterweise genehmigte der Verlag Thomas Barthels genehmigte mir die Nutzung von Gleisplänen aus dem Werk "Die Bahnhöfe im Raum Aachen zur Reichsbahnzeit". Der folgende Ausschnitt aus dem Plan des Bahnhofes Heinsberg, Ausgabedatum 05.04.1940, zeigt den Lokbahnhof mit einem mittlerweile 2-ständigen Lokschuppen, Kohlebansen, Wasserkran und Wasserturm. Der Wasserturm ist bereits auf dem Plan von 1914 verzeichnet.

 

Für 1925 können den Lokbahnhof zwei Schlepptenderlokomotiven der preußischen Baureihe P4.2 zugeordnet werden. Es waren dies die
36 074 und die 36 075. Vermutlich blieben beide Lokomotiven bis zu ihrer Ausmusterung in Heinsberg.
Weiterhin wurden mehrere pr. T9.1, spätere Baureihe 90 von Heinsberg aus eingesetzt. [6]

Im Mai 1938 wurden auf dem Lokbahnhof Heinsberg mit 93 1203 und 93 1204 zwei Lokomotiven der Baureihe 93.5 (pr. T14.1) eingesetzt.
93 1204 gehörte vom 24.10.35 bis zum 19.01.40 zum Bw Herzogenrath und wurde schließlich zum Bw Würselen umbeheimatet[5]

Der Lokbahnhof Heinsberg wurde 1945 nach dem Krieg aufgelassen und die Aufgaben durch das Bw Herzogenrath übernommen.

 

Quellen:
[1] Jahresbericht über die Verwaltung der Bergisch Märkischen Eisenbahn für das Geschäftsjahr 1866
[2] Jahresbericht über die Verwaltung der Bergisch Märkischen Eisenbahn für das Geschäftsjahr 1869
[3] Jahresbericht über die Verwaltung der Bergisch Märkischen Eisenbahn für das Geschäftsjahr 1871
[4] Die Baureihe 94, Hans-Jürgen Wenzel, EK Verlag, 1973, S. 88
[5] Die Baureihe 93, Gerhard Moll, Hans-Jürgen Welzel, EK Verlag 1979, S103ff
[6] Sammlung Holger Vohns
[7] Landesarchiv Düsseldorf, Akte BR 2289_1