Bis Anfang der 70er Jahre des vorletzten Jahrhunderts war Aachen mit Köln durch die Rheinische Eisenbahngesellschaft (RhE) und mit Mönchengladbach durch die Bergisch-Märkischen Eisenbahngesellschaft (BME) verbunden.
Das Aachener Steinkohlenrevier war zu dieser Zeit unzureichend
an das Bahnnetz angeschlossen. Erst 1870 baute die RhE eine Bahnstrecke von
Stolberg nach Alsdorf, um die Grube Anna und die Grube Maria anzuschließen.
Die übrigen Gruben wurden in den Planungen der RhE nicht berücksichtigt, was
dazu führte, dass 1871 Aachener Industrielle ein eigenes Bahnprojekt in Angriff
nahmen. Zunächst wurde der "Verein für die berg- und hüttenmännischen Interessen
im Aachener Bezirk" gegründet. Dieser stellte 1872 bei der preußischen
Regierung einen Antrag zur Betreibung eines Güterbahnnetzes, dem im November 1872
stattgegeben wurde. Als Folge daraus entstand 1873 die Aachener Industriebahn AG
(AI).
1875 wurden folgende Strecken der AI dem Betrieb übergeben:
- Stolberg –
Würselen –
Morsbach (Grube
Gouley)
- Würselen –
Hoengen (Grube Maria)
- Stolberg –
Eschweiler-Aue
- Aachen
Nord – Würselen
- Aachen Nord –
Haaren –
Aachen-Rothe Erde
1882 wurde Jülich an das Streckennetz angebunden. Aus der Aachener Industriebahn wurde die "Aachen - Jülicher Eisenbahn".
Als zentraler Punkt für eine Betriebswerkstätte mit Wagenreparaturwerkstatt
wurde Würselen ausgewählt.
Über die Anfänge der Betriebswerkstätte, deren ursprüngliche Größe, kann hier
leider keine Aussage getroffen werden.
Ein Plan des Bahnhofes Würselen mit anliegendem Bahnbetriebswerk aus dem Jahr 1940 lässt die Bedeutung für den Verkehr erahnen. Das Bahnbetriebswerk befand sich im Gleisdreieck der Strecken nach Aachen-Nord und Stolberg.
© Sammlung Bellingradt
Die folgende Ausschnittsvergrößerung zeigt die recht umfangreichen Anlagen des Bahnbetriebswerkes Würselen.
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© Sammlung Bellingradt
Zum Bahnbetriebwerk gehörte ein viergleisiger Rechteckschuppen, welcher mit
einer Achssenke und zwei Hebeständen ausgestattet war. Zwischen dem Gleis 84 und 96
befand sich eine Lokbekohlung.
An den Rechteckschuppen schloss sich die Betriebswerkmeisterei mit vorgelagerter
14m-Drehscheibe und Bekohlung an. Von der Drehscheibe führten 6 Gleise zur
Lokabstellung, ein Gleis führte in die Betriebswerkmeisterei.
Zur Instandsetzung des Wagenmaterials wurde eine Wagenreparaturwerkstatt mit innen liegender Schiebebühne
angelegt.
Auf diesem Bild aus den 1930er Jahren ist der Lokschuppen mit vorliegender Bekohlung, im Hintergrund der Wasserturm und rechts im Hintergrund die ehemalige Wagenreparaturwerkstatt gut zu erkennen.
Erst 1918 wurden die Aufgaben der Lokomotiv- und Wagenreparatur durch das neu gebaute
Reichsbahnausbesserungswerk Jülich übernommen.
Eine Lok der Baureihe 91 mit ihren Personalen vor dem
Würselener Bahnhof
© Stadtarchiv Würselen
Am 16. September 1944 wurde das Bw Würselen durch einen Fliegerangriff schwer beschädigt. Die Wagenhalle brannte ab.
Nach dem Krieg wurde mit dem Wiederaufbau begonnen. Im Dezember 1947 waren
acht Lokstände des Bw Würselen wieder wintersicher. Doch schon sehr schnell zeichnete sich das Ende des Bw Würselen ab. In einem
Schreiben der Eisenbahndirektion Köln an die GBL West in Bielefeld vom
15.11.1949 teilt die BD Köln mit:
Sechs Monate später, am 23.05.1950 schreibt die Hauptverwaltung der Deutschen Bundesbahn an die BD Köln und die GBL West, dass sie mit einer Umwandlung der Bw Herzogenrath in eine Nebenstelle des Bw Aachen-West und des Bw Würselen in eine Nebenstelle des Bw Stolberg einverstanden ist.
Zum 01.07.1950 wurde das Bw Würselen als selbständige Dienststelle aufgelassen.
Fortan wurde es als Bw Stolberg, Ast Würselen bezeichnet.
Nach der Auflassung der Ast. Würselen blieb noch lange Zeit der ehemalige Lokschuppen erhalten. Die folgenden Bilder von Joachim Biemann zeigen den Zustand am 24.04.1978.
© Joachim Biemann
© Joachim Biemann
© Joachim Biemann
Wer heute Würselen besucht, wird vergeblich nach Relikten aus der Zeit des Bw Würselen suchen. Das Gelände wurde komplett umgestaltet. Wenn man am ehemaligen Bahnhof steht, braucht es sehr viel Phantasie um sich vorzustellen, wie es hier in den Betriebstagen der Eisenbahn ausgesehen hat.
Die Aachener Industriebahn bestellte insgesamt 17 Lokomotiven, um den den Betrieb auf ihren Strecken durchzuführen. Sämtliche Lokomotiven wurden durch die preußische Staatsbahn (KPEV) 1887 übernommen.
Welche Lokomotiven der Preußischen Eisenbahn die Lokomotiven der Aachener Industriebahn ablösten ist nicht dokumentiert. Würselen war die Heimat von Tenderlokomotiven. 1925 beheimatete das Bw Lokomotiven der Baureihe 91 (pr. T9.3) und 93 (pr.T14.1) in Würselen beheimatet. Diese wurden für Personenzugdienste und zur Bereitstellung von Güterzügen benötigt. Schlepptenderlokomotiven der Baureihe 55.25 oder 57 wurden von den Bw Stolberg, Herzogenrath und Jülich für die Bespannung der Kohlenzüge eingesetzt.
In einer durch Ulrich Walluhn veröffentlichten Umzeichnungsliste waren zum Stichtag 31.10.1925 die nachstehend aufgeführten Lokomotiven in Herzogenrath beheimatet:
55 702,712,
720, 1109, 1152, 1373, 5504
57 2356, 2357
74 574, 727
91 1271
94 271, 272
Ende der 20er Jahre kam mit der Baureihe 74 (pr. T12) eine weitere preußische Gattung zum Bw Würselen, um hier vor Personenzügen eingesetzt zu werden.
Der zweite Weltkrieg brachte auch für das kleine Bw Würselen Veränderungen. Mit 91
737, 93 595 und 93 648 mussten Lokomotiven für den Osteinsatz abgegeben werden.
Dafür erhielt Würselen die aus Belgien stammenden
93 443, 446 und 447.
Als die Westfront das Aachener Gebiet erreichte blieb auch Würselen nicht von
den Kriegsereignissen verschont.
Im Herbst 1944 standen im Bw Würselen 130 Personalen 13 Lokomotiven zur
Verfügung. Wie schon weiter oben erwähnt wurde das Bw Würselen bei einem
Fliegerangriff am 16. September 1944 schwer getroffen. Wenig später, Ende
September
1944, musste der Bahnbetrieb aufgrund der großen Zerstörungen komplett
eingestellt werden.
Nach Kriegsende beheimatete das Bw Würselen auch einige
Güterzugschlepptenderlokomotiven.
So waren mit der 50 1546 und 50 2520
1947 und 1948 erstmals Lokomotiven der Baureihe 50 in Würselen beheimatet.
Vom 14.12.1948 bis zum 24.01.1949 wurde als einzige Lok ihre Baureihe 56 2791 in
Würselen beheimatet. Ihr folgte wieder als einzige Lok ihrer Baureihe die 55
3406 in der Zeit vom 13.01.1949 bis zum 18.03.1950.
Mit der Baureihe 86 wurde ab 1946 erstmals eine Einheitslokomotivbaureihe in
Würselen beheimatet, welche bis zur Auflösung des Bahnbetriebswerkes hier Dienst
tat.
Mit der Baureihe 92 (pr. T13) erhielt Würselen ab 1947 eine weitere Baureihe in
seinen Bestand.
Der nachfolgende Umlaufplan zeigt die Einsätze, die diese Lokomotiven zu erbringen hatten.
Mit der Auflösung des Bw Würselen am 01.07.1950 wurden
die verbleibenen Lokomotiven auf die umliegenden Bahnbetriebswerke verteilt. Während 86 502 , 92 730
und
92 777 zum Bw Düren abgegeben wurden, wurden 74 699, 74 709, 74 710, 74
727, 74 1212 sowie 92 634, 92 838 und 92 862 buchmäßig zum Bw Stolberg
abgegeben, verblieben faktisch aber zunächst vor Ort. Derzeit kann keine Aussage
getroffen werden, wann der Lokeinsatz von Würselen aus endete.
Bis zum 28.02.1952 wurden in Würselen weiterhin Güterwagen ausgebessert, dann
endete auch dieser Aufgabenbereich.
Ergänzungen von Seiten der Leserschaft dieser Seiten sind immer gerne willkommen. Vielleicht gelingt es auf diese Weise, weitere Einblicke in das kleine Bahnbetriebswerk Würselen zu ermöglichen.